:: Die Crazy Paradise ::

Die Crazy Paradise war von 1994 bis 1997 eine der größten Mailbox-Systeme in Berlin - zeitweise DIE größte Box. In ihrer Glanzzeit hatte sie 22 Ports - die meisten davon 2400-Baud-Modem-Verbindungen, über die sich User in die Box einwählen konnten. Dazu kamen 4 High-Speed-Ports mit 19.200 bis 57600 Baud. Die Crazy Paradise basierte auf dem AMMS-Mailbox-System. Sie hatte umfangreiche File-Bereiche, in denen aktuelle Free- und Shareware für Amiga-, IBM-, Acorn- und andere Computersysteme heruntergeladen werden konnte. Wie bei den meisten Mailboxen hatten die meisten User ein sogenanntes "Download-Ratio": Für einen Upload konnten drei Programme heruntergeladen werden. Auf diese Weise wurde sichergestellt, dass die Box ständig mit neuer Software versorgt wurde.

Neben dem File-Bereich waren die Nachrichtenbretter Hauptanziehungspunkt der CP. Als "Node" bezog die Crazy Paradise Nachrichtenbretter aus allen größeren Netzwerken und gab sie an andere Mailboxen weiter. Auf diese Weise wurden Nachrichten in der Zeit vor dem Internet über alle angeschlossenen Mailbox-Systeme Deutschland- oder weltweit verbreitet. Bevor es das Internet gab, war es unmöglich, sich zu bezahlbaren Kosten mit allen verfügbaren Mailboxen und Netzwerken direkt zu verbinden. Die Weitergabe von Nachrichten geschah also über "Nodes". Das Prinzip war einfach: Eine Mailbox, die Nachrichten weitergeben oder beziehen wollte, wählte sich in eine andere Mailbox ein, übertrug die Daten und trennte die Verbindung wieder. Nun konnten sich andere Mailboxen in diese Box einwählen, um ebenfalls die aktuellsten Nachrichten zu erhalten. So einfach wie das Prinzip aussieht, so kompliziert war es auch: Die Einwahlzeiten der verschiedenen Boxen mussten genau aufeinander abgestimmt werden. Dennoch sorgte dieses Prinzip dafür, dass Nachrichten im Laufe eines oder mehrerer Tage im gesamten Netz der angeschlossenen Boxen verfügbar waren.

Die Crazy Paradise verfügte außerdem über mehrere Chat-Bereiche, in denen sich die User, die gerade online waren, miteinander unterhalten konnten. Es gab mehrere verschiedene Chat-Systeme: Solche, in denen sich ganze Gruppen von Usern gemeinsam unterhalten konnten (ein jeder Teilnehmer sah die Nachrichten jedes anderen Benutzers und konnte darauf reagieren) und solche Chats, in denen sich zwei Teilnehmer unterhalten konnten, ohne dass andere die Nachrichten sahen.

Auf eine sehr einfache Art war die Crazy Paradise somit ein System, das bereits alle wesentlichen Kommunikationsmöglichkeiten bot, die wir heute vom Internet kennen. Die Bedienung all dieser Funktionen geschah über "grafische" Menüs. Diese bestanden jedoch nicht als Pixel-Grafiken wie im heutigen Internet. Man bedenke, dass die Modems der meisten Benutzer zu dieser Zeit nur eine übertragungsgeschwindigkeit von 2400 Baud erlaubten (der heutige Standard beträgt ca. 50 MBit). Die gesamte Gestaltung musste also stark reduziert werden, wollte man nicht eine halbe Stunde auf den Aufbau einer Seite warten. Die "Grafischen Menüs" wurden also aus "ANSI" oder "ASCII"-Zeichen zusammengesetzt. ANSI-Art war damals so etwas wie eine Kunstform - es gab wahre Meister, die alle möglichen Arten von Bildern nur aus Text-Zeichen zusammensetzen konnten.

Vom Beginn der 80er Jahre bis zur Mitte der 90er waren Mailboxen außerordentlich populär. Es gab sie in der ganzen Welt, in jeder erdenkbaren Form und mit jeder erdenkbaren Ausrichtung. Sogar große Software- und Hardware-Firmen boten Support und Downloads in eigenen Mailbox-Systemen an. Erst mit dem Aufkommen des Internet und der Möglichkeit zur globalen Kommunikation ging die Zahl der Mailboxen schlagartig zurück. Heute sind sie so gut wie ausgestorben. Nur einige wenige existieren noch, zumeist aus nostalgischen Gründen. Eine von ihnen ist die Crazy Paradise...